Nachdem ich von einem Freund gefragt worden bin, wie es denn in Tabaluga so läuft, möchte ich meinen/unseren Alltag in Tabaluga/Guabuliga einmal etwas näher beleuchten.
Wer sind eigentlich „wir“?
„Wir“ sind zur Zeit Abdul (Braveauroras Projektmanager), Cornelia (auch eine Freiwillige und zugleich Sozialarbeiterin), Woo (unser Hund) und Katze (dreimal darfst du raten…genau, unser schwarzer Kater). Kleiner Fun-Fact: Katze wurde letztens innerhalb von 24 Stunden zweimal (unabsichtlich) als Fußabtreter missbraucht. Blöderweise ist er nämlich kohlrabenschwarz und verschmilzt deshalb mit der Dunkelheit der Nacht. Als ich auf ihn draufgestiegen bin, hat er mich sogar gebissen. Aber das zählt wohl als Notwehr, ich trage es ihm daher nicht nach.
„Wir“ sind aber meistens noch mehr. Die letzten paar Wochen hatten wir fast dauerhaft Besuch vom Architektenteam von Bärbel Müller, welches für den Aufbau des Markts in Guabuliga verantwortlich ist (hier gibt es Details zum Projekt). Das heißt, dass hier meist noch 2-3 Personen zusätzlich in unserem Compound (Erklärung kommt gleich) gewohnt haben. Außerdem waren vor kurzem auch noch Simone und Julia vom Braveaurora-Board da, womit es manchmal schon etwas kuschelig wurde.
„Wir“ sind aber eigentlich noch viel mehr. Was ich bisher so festgestellt habe, gibt es zumindest in Guabuliga das Wort „Privatsphäre“ nicht. Jeder Compound ist irgendwie halb-öffentlich und deshalb ist quasi auch immer was los bei uns. Seien es die Nachbarn (Madam Zenabu und Kids) die unseren Compound putzen, Nachbarn die zum Ratschen vorbeikommen oder Händler*innen die etwas verkaufen. Auch kleine Kinder sind regelmäßig zu Gast, einfach weil sie neugierig sind, Cashews (Mampruli „Antia“) naschen möchten, (übrigens nur den Fruchtkörper, die Nüsse isst hier kein Mensch) oder uns ärgern wollen, weil sie genau wissen, dass sie eigentlich nichts im Compound verloren haben.
Was ist denn jetzt ein „Compound“?
Compound ist die Bezeichnung für ein Familienhaus. Ein Compound besteht normalerweise aus einer Außenmauer, einem Innenhof (Yard) und einzelnen Hütten, welche direkt in die Außenmauer eingebettet sind. Jedes Familienmitglied, zumindest sobald es etwas älter ist, hat seine eigene Hütte. Außerdem gibt es dann noch separate Hütten für Lagerräume, evtl. Küche, sowie eine Duschecke. Die Latrinen, die in Guabuliga dank einer Anordnung des Chiefs verpflichtend sind, finden sich üblicherweise außerhalb des Compounds.
Die Compounds bzw. Hütten und Mauern werden traditionell mit nachbarschaftlicher Hilfe in der Trockenzeit (da gibt es keine landwirtschaftlichen Tätigkeiten, deshalb wird in dieser Zeit gebaut) erbaut, sind (meist) rund, haben keine Fenster und sind mit Stroh gedeckt. Der Trend geht aber immer mehr zu eckigen Lehmhäusern mit Fenstern und Wellblechdach hin. Kommt immer darauf an, was man sich leisten kann.
In unserem Fall haben wir 3 Hütten bzw. Räume, welche als Schlafräume benutzt werden, eine große Hütte als Gemeinschaftsraum inkl. Küche und Lebensmittellager und eine Hütte als Klo und Lagerraum (keine Angst, ist voneinander abgetrennt).
Unser Compound stellt in gewisser Hinsicht eine Ausnahme dar: Eckige Hütten aus Beton, welche mit Lehm verputzt sind, Fenster mit Fliegengittern. Außerdem haben wir einen Mango- und einen Cashewbaum im Compound. Undenkbar für die Dorfbevölkerung, da Bäume im traditionellen Glauben Geister oder Hexen beherbergen können. Und wer will schon Geister, geschweige denn Hexen im Haus haben? Naja, ehrlich gesagt wir, denn die Bäume bringen uns den Vorteil, dass es in unserem Compound doch deutlich kühler ist, als in der Umgebung. Außerdem werden jetzt bald die Mangos reif, da sagt man natürlich auch nicht nein. 🙂
Habt ihr eigentlich Wasser?
Wir sind sogar ziemlich privilegiert, weil wir nämlich fließendes Wasser direkt im Compound haben. Einen zentralen Wasserhahn in der Mitte des Compounds und einen in der Küche. Das Wasser kommt aus einem eigenen Bohrloch, den Strom für die Pumpe produziert ein Solarpanel. Zwischengespeichert wird das Wasser in einem 900 Liter fassenden Hochspeicher aus Kunststoff. Wenn nicht wieder mal jemand vergisst den Gartenschlauch abzudrehen, reicht das Wasser auch locker für einige Tage.
Die Community, oder besser gesagt die Frauen haben es da bei weitem nicht so einfach. Sie schleppen das Wasser in Metallschüsseln von den Brunnen zu den Compounds. Probier das ruhig mal selbst aus: Nimm einen 10 Liter Kübel, füll ihn mit Wasser, stell ihn dir auf den Kopf und versuche dann mal 10 Minuten damit herumzugehen. 10 Liter tragen übrigens schon die 8-jährigen Mädchen am Kopf. Ab dem Alter von 13 Jahren sind es dann 20 Liter (+ das Gewicht der Metallschüssel), die herumgeschleppt werden.
Wenn du diesen Absatz noch lesen kannst, hast du dir vermutlich nicht das Genick gebrochen und weißt, wie es sich anfühlt, wenn man bereits um 5:00 Uhr Wasser für die ganze Familie durch das halbe Dorf schleppen darf. Meine Hochachtung vor allen Frauen im Dorf, hier muss für Wasser (und viele andere Dinge auch) noch richtig gearbeitet werden. Und das, ohne Ausnahme, an jedem Tag der Woche
Es gibt dann neben den Brunnen auch noch das Community-Wassersystem, was grundsätzlich vom Staat betrieben wird, aber aufgrund dessen, dass die Community die Stromrechnung dafür nicht mehr zahlen konnte, stillgelegt war. Dieses bietet innerhalb des Dorfes einige Wasserhähne, von welchen Wasser gezapft werden kann. Vor einigen Jahren hat dann Braveaurora ein Solarpanel installiert, womit die Community wieder mit Wasser versorgt war. Das Community-Wassersystem ist insofern wichtig, da das Wasser hier auch aus einem Bohrloch kommt. Die anderen Brunnen sind meist offen und sind deshalb mit Fäkalbakterien belastet. Ein Labortest ergab, dass die Belastung des Wasser sogar gesundheitsgefährlich ist. Das Community-System hingegen kann bedenkenlos als Trinkwasser verwendet werden, sofern es denn funktioniert.
Leider war aber bis vor kurzem die Wasserpumpe defekt (was leider auch nicht bezahlt werden konnte, weil kein Geld). Kostenpunkt: 12000 GHS!
Um dieses Problem hat sich dann letzte Woche unser Hauptansprechpartner fürs Wasser, ein Mitarbeiter der Firma Pumptech, angenommen und die Pumpe ausgetauscht. Kostenpunkt: 0 GHS! Sein Wunsch dafür: Die Community müsse für ihn beten. Ich würde sagen, an dieser Stelle kann man durchaus Applaus spenden!
Um nochmal zu unserem Wasseranschluss zurückzukommen. Es gibt bei uns natürlich keine Waschmaschine, deshalb heißt’s, meist einmal in der Woche: Selbst ist der Mann! Technische Errungenschaften wie eben eine Waschmaschine lernt man hier erst richtig zu schätzen, weil man hautnah erleben darf, welch schöne Beschäftigung das Waschen von Wäsche ist und wie viel Zeit da auch draufgeht. Die beste Belohnung ist dann immer, wenn die Wäsche trotzdem noch irgendwo einen Fleck hat, herrlich. 🙂
Und du schläfst immer bis um 9, oder?
Genau. Da hier die Tage und Nächte das ganze Jahr über immer ungefähr gleich lang sind, geht die Sonne auch immer um ca. 6 Uhr auf. Das ist auch die Zeit, wo der Dorfalltag bereits in vollem Gange ist und ich meistens aufstehe, weil’s im Dorf eh schon rundgeht. Außerdem verläuft hinter meinem Zimmer auch der Weg zu einem großen Brunnen, wodurch ich sozusagen einen natürlichen Wasser-Hol-Wecker habe.
Hinzu kommt, dass wir uns gerade in der heißesten Zeit des Jahres befinden. Die Trockenzeit beginnt nämlich jetzt gerade so richtig, was heißt, dass ich meist um 6 Uhr versuche mich aus meinem Feuchtgebiet „Matratze“ (danke liquide Körperkühlsubstanz!) löse und dann fluchtartig durch die Tür ins Freie stürme. Bei meiner Ankunft in Guabuliga vor eineinhalb Monaten hatten wir morgens immer 20°C oder sogar weniger. Zur Zeit fällt das Thermometer nicht mehr unter 28°C und pendelt sich dann in der Mittagszeit bei ungefähr 40-42°C ein. Ohne Windblederer (dt. Ventilator) geht nix mehr, auch in der Nacht nicht.
Genutzt wird die Zeit dann für ein Frühstück, meistens bestehend aus Weißbrot (Ghanaer*innen wissen echt, wie man gutes Weißbrot macht!), „Groundnutpaste“ (Erdnussmus, schmeckt ausgezeichnet, vorausgesetzt die Mäuse haben nicht wieder unsere Tupperdose angefressen), Früchten (Banane, Ananas) und einer Tasse frischen Kaffee (gebrüht auf unserem Gasherd in einer italienischen Espressokanne). Danach bleibt meistens noch Zeit für Arbeit am Computer, um Sachen für das Wochenende zu packen oder zum Zeitung lesen.
Außerdem lohnt es sich manchmal auch einfach mal wieder das Zimmer zu putzen. Ich kann es selbst meist nicht glauben, wie viel Staub und Sand sich innerhalb einer Woche in einem Zimmer ansammeln kann. Liegt auch daran, dass bis vor kurzem Harmattan geherrscht hat, welcher den ganzen Saharastaub und -sand zu uns nach Guabuliga getragen hat. Sieh einfach selbst.
Was ich zu den Früchten und zum Gemüse noch sagen möchte: Als Österreicher*in wird man wahrscheinlich nie eine Ahnung haben, wie Bananen, Ananas, Mangos, Kokosnüsse, Avocados, usw. eigentlich wirklich schmecken, wenn man die Herkunftsländer nicht besucht hat. Vor allem bei Ananas zergeht einem förmlich der Mund wenn man reinbeißt, ein Genuss!
Was machst du jetzt wirklich den ganzen Tag?
Um 8 Uhr treffen wir uns immer im Büro, welches praktischerweise gleich neben unserem Compound ist. Bisher habe ich daran gearbeitet eine Datenbank für die Ablage von Daten des Trainingcenters zu schaffen (Anmeldungen, persönliche Daten, abgehaltene Trainings, ausgegebene Mikrokredite, Druckvorlage) und unsere Dorf- und Elternmikrokredite in eine einheitliche Form zu bringen. Außerdem bin ich das Mädchen für alles, wenn es um IT-Probleme und Einstellungen an Computern von Teammitgliedern geht. Viel Zeit habe ich auch damit verbracht mit der Antenne unseres WLAN-Routers durch das halbe Dorf zu laufen, um endlich eine stabile Internetverbindung hinzukriegen. Stabiles Internet in Guabuliga, check!
Für die nächste Zeit stehen dann Gespräche für die Umsetzung des ICT-Labs an. Diese werden wir mit den Lehrer*innen und Direktor*innen der beiden Schulen in Guabuliga führen. Außerdem wird auch das Ghana Education Service in Walewale (ähnlich dem Bezirksschulrat) miteingebunden. Wenn nebenbei Zeit ist, arbeite ich außerdem gerade das Konzept für einen Erste-Hilfe-Kurs aus. Dazu habe ich auch bereits eine Kooperation mit dem Roten Kreuz Ghana, genauer in Tamale, herstellen können, welches mir helfen wird den Kurs vorzubereiten und für die praktischen Übungen auch Reanimationspuppen zur Verfügung stellen kann.
Am Abend wird dann meistens noch gekocht, oft auch gemeinsam. Auf den Fotos unten findet sich unsere Kochstunde mit Rafat (eine Tochter von Madam Zenabu) mit der wir Tiset (wird aus Maniok zubereitet) mit Okra soup zubereitet haben. Dazu muss ich sagen, dass sie das ganze Prozedere (was man bei Tiset nicht unterschätzen darf) echt gut unter Kontrolle hat. Rafatu ist auf jeden Fall mit Abstand die beste junge Köchin, die ich bisher kennengelernt habe!
Und am Wochenende ist dir dann fad?
Ich weigere mich das Wort „fad“ in meinen Wortschatz aufzunehmen, es gibt nämlich immer was zu tun.
Letztes Wochenende waren wir in Tamale, da am 6. März der 63. Unabhängigkeitstag Ghanas gefeiert wurde. Weil wir ja Adrenalinjunkies sind, wurden wir von Abduls großen Bruder, der selbst beim Roten Kreuz in Tamale arbeitet, eingeladen, unter den Fittichen des Roten Kreuzes, am Independence-Marsch teilzunehmen. Eigentlich waren es ja sogar zwei Aufmärsche: Einer am Jublee-Park und der zweite beim Park der Polytechnic School.
Wir flanierten dann also am Park der Polytechnic School. Nach ganzen 10 Minuten schier unerträglicher Arbeitslosigkeit (Arbeitsantritt 8:30 Uhr) wurden dann auch schon zwei Kinder auf den Armen der Kollegen zu uns transportiert.
Diagnose: Nix gefrühstückt und die ganze Zeit im Sonnenlicht gebadet.
Behandlung: Wasser trinken, Bananen essen, Füße hoch, ruhig halten und die Bitte heute nicht mehr am Marsch teilzunehmen.
Das ging dann auch zweieinhalb Stunden so dahin. Insgesamt haben wir über 15 dehydrierte oder unterzuckerte Personen behandelt. Dabei waren so ziemlich alle Gruppen vertreten. Schüler*innen der Junior und Senior High Schools, Kadetten, Militärs. Alle haben wir nach kurzer Zeit wieder entlassen können. Bis auf ein Mädchen der Kadetten, denn sie war bereits so schwach, dass sie nichts mehr essen und trinken konnte. Da musste dann der Krankenwagen her.
Ein wenig erleichtert, dass keine Personen mit Wunden oder anderen Verletzungen dahergekommen sind, war ich im Nachhinein schon.
Erstens war quasi nichts im Vorfeld organisiert bzw. hat nicht funktioniert. So hatten wir zu Beginn viel zu wenig Wasser, keinen Zucker (bzw. keine Bananen) und auch kein Erste-Hilfe-Material. Einzige Ausstattung: Drei Matratzen, die direkt am Boden lagen.
Zweitens waren wir nach den drei Stunden Arbeit so was von dreckig (T-Shirt nicht weiß sondern schwarz, von den Armen und Füßen konnte man sich bereits „Dreckwuzerl“ abrubbeln, was auch daran lag, dass natürlich weit und breit kein Waschbecken in Sicht war.
Hygienisches Arbeiten ist schon was für Weicheier. Ohne irgendeine Infektion wären die Patient*innen wahrscheinlich nicht davongekommen, wenn wir sie behandelt hätten. Für den Notfall hätte es zwar zwei Paar Einweghandschuhe gegeben, aber glücklicherweise haben wir die nicht gebraucht.
Ansonsten waren wir auch die zwei Wochenenden zuvor in Tamale, einerseits um uns die Stadt anzusehen, ins Kino zu gehen und um uns für Abduls (unser Projektmanager) Hochzeit vorzubereiten. Und klarerweise waren wir dann auch für die Hochzeit selbst in Tamale. Vielleicht finde ich ja auch nochmal Zeit über die Hochzeit ein wenig ausführlicher zu schreiben 🙂
Ja, aber ich möchte ja auch gerne das Dorf sehen!
Um deine Augen an dieser Stelle nicht überzustrapazieren, werde ich hier mal ein Pause machen und über die restlichen Dinge, über die ich noch berichten möchte (Das Dorf an sich, die Leute und Traditionen) in einem anderen Blogeintrag schreiben. Wenn du Fragen hast und irgendwelche Dinge im speziellen wissen möchtest, kannst du natürlich gerne die Kommentarfunktion nutzen, oder mir persönlich schreiben. Kontaktdaten gibt es hier.
Um aber trotzdem schon einmal einen Vorgeschmack auf das Dorf geben zu können, gibt es hier noch ein kleines Panoramabild, geschossen von einem der umliegenden Hügel.
Alter Schwede! Das ist genau so wie ich mir das vorgestellt habe! Habe ich es überlesen oder kriechen da nicht unendlich viele kleine Insekten rum? Ich hätte gedacht, dass man da schnell Bekanntschaft mit Spinnen, Kakerlaken und anderen Freunden aus der Natur macht.
Das Wort „privilegiert“ bekommt hier echt eine neue Dimension!
Das hab ich tatsächlich vergessen zu erwähnen! Tatsächlich gewöhnt man sich schnell daran, in der Nacht ein paar Mal fest auf den Boden zu treten, damit man die Toilette betreten kann. Kakerlaken fühlen sich da nämlich superwohl. Oder, dass Geckos und mal ’ne Maus durch die Küche huschen. Ich glaub zu zimperlich sollte man nicht sein, wenn es um Kriechviecher und kleine Wuseltierchen geht 😉