Ein lauter Einschlag, plötzlich baumelt die Drohne zu Boden. Eigentlich muss die jetzt kaputt sein, geht fast nicht anders. Aber sie hat es überlebt.
Zwei Techniker sind auf dem Weg zur Drohne. Zuerst wird der Akku entnommen, dann die Tragflächen abgebaut. 20 Sekunden hat man Zeit, dann ist die Drohne schon wieder im Lager der Basisstation verschwunden. Zum Glück hatten wir etwas mehr Zeit uns dieses technologische Meisterwerk genauer anzusehen.
Das was ich hier gerade beschreibe ist feinste Technik der Firma Zipline. Und zwar geht es um den Landeanflug einer Drohne, welche Medikamente und Blutkonserven transportiert. Um auf eine Landebahn und potentiell gefährliche Landemanöver verzichten zu können „fischt“ Zipline die Drohne einfach aus der Luft. Das Ganze ist schwierig zu beschreiben, darum hier ein Video zur Veranschaulichung:
Tja und so eine Drohne muss man ja auch erst einmal in die Luft bekommen. Dazu gibt es eine Katapult-Startbahn, welche die Drohne mit einem kräftigen Schub in die Luft befördert. Auch wieder schwierig zu beschreiben, deshalb das Ganze noch einmal als Bewegtbild 🙂
Medikamenten- und Bluttransport in der Luft
Die Drohnen selbst sind mit kleinen Paketen bestückt und werden dazu genutzt um Medikamente (inklusive Impfstoffe) und Blutkonserven in entlegene Regionen von Ghana zu fliegen. Vor allem in der Regenzeit kommt es immer wieder vor, dass Dörfer aufgrund der starken Regenfälle per Auto oder Motorrad nicht erreichbar sind.
Genau dort spielen die Zipline-Drohnen ihr volles Potential aus: Mit circa 100 km/h sind sie nicht nur schnell, sondern ersparen sich in der Luft auch die teils schlechten (bzw. unpassierbaren) Straßen. Mit einer Flughöhe von ca. 300 Metern fliegen sie außerdem in einem Bereich des Luftraums der nicht genutzt wird und deshalb von der Flugaufsicht auch für Zipline freigegeben wurde. Allein in der Region um den Flughafen in Tamale muss die Firma jeden Flug vorab melden, damit keine Zusammenstöße stattfinden.
Geflogen wird 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. 150 Mal fliegen alleine die Drohnen der Basisstation in Walewale pro Tag! Insgesamt gibt es vier dieser Basisstationen im ganzen Land, drei davon im Süden und eben die eine im Norden. 85 Kilometer Aktionsradius haben die Drohnen, in 51 Minuten können Sie auch die äußersten Regionen in ihrem Einflussgebiet erreichen.
Ja aber was ist wenn…
Als Softwareentwickler interessiert mich natürlich nicht nur brennend, was denn das Ding bei Schönwetter alles kann, sondern auch, welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden. Und da ist echt viel Hirnschmalz reingeflossen!
Nehmen wir beispielsweise das Mobilfunknetz: Zipline nutzt ein ghanaisches Mobilfunknetz für die Übertragung der Flugdaten der Drohne. Damit wissen sie zu jeder Zeit wo sich die Drohne befindet, wie schnell sie ist und und und. Was aber, wenn das Netz ausfällt? Zugegeben, diese Frage kam mir gleich als allererstes in den Kopf. In Ghana ist man es nämlich gewohnt, dass man abwechselnd keinen Strom, kein Wasser und kein Handynetz hat. Also was machen?
Zusätzlich zum Mobilfunk nutzen sie zur Kommunikation auch jeweils ein separates Funkmodul an der Drohne und eines an der Basisstation. Dieses hat eine geringe Reichweite (nur einige hundert Meter), aber ist immer verfügbar, solange nicht jemand die Basisstation wegsprengt. Wenn also das Netz ausfällt versucht die Drohne exakt Kurs zu halten auf jene Position, die als Basisstation gespeichert ist. Das geht mittels eingebautem Kompass sehr gut.
Sie fliegt also im Blindflug in Richtung Basisstation. Irgendwann ist die Drohne so nahe an der Basisstation, bis sie plötzlich wieder Funkkontakt hat. Ab dort läuft dann alles wieder wie im Normalbetrieb: Die Drohne richtet sich exakt auf die Station aus (inkl. vorheriger Anflugberechnung und Auswahl der Flugrichtung [Gegenwind ist essentiell für die „Landung“!]) und sendet kurz vor dem „Aufschlag“ mehrmals pro Sekunde ihren aktuellen Standort. Mit diesen Informationen gelingt es der Basisstation die Drohne im rechten Moment aus der Luft zu fischen. Mit dem Drahseil hakt die Station am Heck der Drohne ein und bremst sie dadurch abrupt ab.
Für die Zukunft haben sie geplant, dass sie noch ein weiteres Mobilfunkmodul in die Drohnen einbauen. Mit diesem können Sie dann zwei voneinander unabhängige Mobilfunknetze nutzen und somit die Kommunikationsstabilität weiter erhöhen. Circa einmal pro Monat kommt es zur Zeit übrigens vor, dass sie den Kontakt zur Drohne verlieren, weil das Netz ausfällt und die Drohne dadurch ihren Nachhauseweg selbst finden muss.
Vom Winde verweht
Auch für dieses Szenario gibt es einen Notfallmodus. Wenn der Wind zu stark bläst begibt sich die Drohne in eine „Schleife“. Dies sind vordefinierte Punkte auf den Flugrouten, welche dafür genutzt werden, dass die Drohne dort einfach im Kreis fliegen kann. So lange nämlich, bis die Windbedingungen wieder passen und weitergeflogen, bzw. nach zurück nach Hause geflogen werden kann. Die Schleifen sind in der Übersichtskarte weiter oben eingezeichnet. Jeder der kleinen Kreise auf den Flugrouten ist eine definierte Schleife.
Und wenn der Akku ausgeht? Diese Schleifen sind natürlich nicht willkürlich gewählt, sondern ermöglichen auch ein kontrolliertes „Landen“ (vermutlich einen Crash) der Drohne in diesem Bereich, ohne dass jemand gefährdet würde.
Wenn etwas kaputt gehen möchte
So einfach ist das gar nicht. Denn alle Systeme an Board der Drohnen sind doppelt vorhanden. Heißt, zwei Motoren, zwei GPS-Module, zwei Steuerungseinheiten…
Es muss also schon echt viel schief laufen, dass so ein Ding überhaupt nicht mehr funktioniert. Darüber hinaus sind die Drohnen sehr wartungsfreundlich. Alle tauschbaren Teile lassen sich innerhalb von 5 Minuten ersetzen. Das ist eine Vorgabe von Zipline.
Der Abwurf
Voll beladen (mit maximal 1,8 Kilogramm Ladung) fliegt die Drohne also in Richtung der Guabuliga Clinic, aber wie kommen die Pakete zu Boden? Elegant per Fallschirm!
Beim Bepacken der Drohne werden die Medikamente in eine Box aus Karton gegeben. An dieser ist ein Pastikfallschirm befestigt, der das Paket sicher zu Boden bringt. Zusätzlich sinkt die Drohne kurz vor dem Abwurf des Pakets ein wenig, damit der das Paket nicht so weit fällt und der Aufprall sanfter ist.
Alles in allem scheint das Ganze eine sehr runde Sache zu sein, das einen echten Mehrwert bringt und vor allem nach schweren Unwettern seine große Stärke zeigt.
Jetzt bleibt nur noch die Frage offen, wer denn eigentlich Vobsi ist? Zipline verpasst allen Basisstationen einen individuellen Namen. Und der Standort Walewale hat den Spitznamen „Vobsi“ bekommen 🙂
Servus Gabriel,
danke für dein update ! Sehr interessante Technik, wenn sie in den richtigen Händen bleibt. War das für dich/das Braveaurora Team nur ein Info-Trip, oder wirkt „man/frau“ da irgendwie mit ?
liebe Grüße, Hans
Wir waren quasi nur unbedarfte Zuschauer. Die Clinic in Guabuliga wird per Luftpost von denen mit Medikamenten versorgt, deswegen kennen wir die Firma und haben uns quasi selbst eingeladen 🙂
Liebe Grüße,
Gabriel